Alles Ehrenamt oder was?

Die Sache mit der „Kommunal“-Politik

Jedes Mal, wenn ich überlege, wie lange ich schon Mitglied der SPD bin, muss ich nachdenken und fange an zu rechnen. Dann kann ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen, denn mit der Parteimitgliedschaft ist es mittlerweile so wie mit den Ehejahren. Irgendwann hört man auf zu zählen, weil es nicht wichtig ist, wie viele Jahre man liiert oder Mitglied ist. Dem Grunde nach zählt nur, dass die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft und eine gemeinsame Wertebasis integraler Bestandteil des eigenen, alttäglichen Lebens geworden sind. Und wie in einer Ehe gibt es eben gute und auch schlechte Zeiten. Phasen in denen man von Glück und Erfolg beseelt ist und stolz auf die gemeinsamen Errungenschaften blickt. Und es gibt jene Momente, in denen man sich fremdschämt, hadert und sich fragt, waren alle Entscheidungen wirklich richtig und warum tue ich mir das überhaupt an?

In guten wie in schlechten Zeiten

Ehe und Ehrenamt sind – das wissen insbesondere die Lieben von politisch aktiven Menschen – untrennbar miteinander verbunden. Wer mit einem/einer Politiker*in liiert ist – egal auf welcher Ebene Der- oder Diejenige aktiv ist – kann ein Lied davon singen. Denn nichts ist zeitintensiver als ein Engagement, das meist als Hobby beginnt und dann schleichend zur zeitvorgebenden Instanz des gemeinsamen Lebens avanciert. Einmal aus vollster Überzeugung ja-gesagt zum Ehrenamt, bleibt man normalerweise treu und wenn es auch mal kräftig „gewittert“ folgt in der Regel der Regen, der die Luft wieder bereinigt.

Schon wieder Wahlkampf oder was?

Warum widme ich mich als Kommunalpolitikerin ausgerechnet jetzt dem Thema „kommunalpolitisches Ehrenamt“, wo wir uns als Parteien doch gerade im Wahlkampf befinden und eigentlich mit Inhalten und Zukunftsvisionen die potentiellen Wähler*innen für unsere Sache gewinnen möchten?

Die Antwort ist ganz subtil. Ich möchte den Bürgerinnen und Bürgern ein – wenn auch subjektiv geprägtes – aber zugleich realitätsnahes Bild zeichnen vom Engagement all derer, die sich als Kommunalpolitiker*innen ehrenamtlich zur Wahl stellen. Viele Menschen wissen einfach zu wenig über die Arbeit von Kommunal*politikerinnen. Allzu oft begegnete mir in den vergangenen Jahren die Vorstellung, dass wir als Ratsleute unser Amt Vollzeit als normalen „Job“ ausfüllen, dafür entsprechend honoriert würden und uns gerne auch mal „die Taschen füllen“.

Die da „oben“ und wir hier „unten“

Ganz unter uns, mit politischem Engagement in der Kommune lässt sich grundsätzlich kein Blumentopf gewinnen und auf kommunaler (ehrenamtlicher) Ebene bzw. als einfaches Ratsmitglied schon gar nicht ein auskömmlicher Lebensunterhalt erwirtschaften. Für die Arbeit im Stadtrat erhalte ich eine monatliche Aufwandsentschädigung in Höhe von 492,90 € für das Mandat. Hinzu kommen Sitzungsgelder (pro Sitzung 20,30 €/ maximal zwei am Tag werden angerechnet). Je nach Häufigkeit der Sitzungen variiert der Betrag also stark. Dabei kann eine Sitzung innerhalb einer Stunde vorbei sein oder aber gerne auch mal mehrere Stunden andauern. Letzteres ist deutlich häufiger der Fall. Wer ein Aufsichtsratsmandat in einer größeren Gesellschaft inne hat oder einen Posten innerhalb der Fraktion oder einen Ausschussvorsitz etc. bekleidet, hat natürlich deutliche Mehreinnahmen, aber auch entsprechend größere Verantwortung und zusätzliche Aufgaben. Bei uns in der SPD führen wir zudem noch je nach Höhe unserer Entschädigung Abgaben an die Partei ab.

Aber egal welche Funktion man nun bekleidet, Arbeit gibt es stets genug. Allein die Vor- und Nachbereitungen von Sitzungen sind je nach Umfang der Unterlagen, die zu beraten sind, ausgesprochen zeitintensiv. Gerade wenn man frisch dabei ist und sich noch nicht in die Themenfülle eingearbeitet hat, sitzt man bis spät in die Nacht stundenlang über den Unterlagen. Denn eines ist ja klar, alle Ratsmitglieder bringen ihre persönlichen und beruflichen Erfahrungen mit ein, aber auf jedem Gebiet eine Expertise besitzen zu wollen, ist schier unmöglich.

In der Regel geht jedes Mitglied des Rates neben dem Mandat einem regulären Job nach. Da der Beginn von Vorbesprechungen und Sitzungszeiten meist in die reguläre Arbeitszeit fällt ist auffällig, dass sich im Rat Ruheständler*innen, Selbständige, Lehrer*innen und Halbtagstätige engagieren, bisweilen auch Studierende, also jene Berufsgruppen denen es sagen wir „einfacher“ möglich ist Job und Mandat halbwegs miteinander vereinbaren zu können. Zwar wird man vom Arbeitgeber für die Mandatsausübung freigestellt, doch realistisch betrachtet ist es schon ein Drahtseilakt für alle Beteiligten, wenn man beispielsweise zweimal in der Woche frühzeitig seinen Arbeitsplatz verlassen muss, weil eine Sitzung ansteht oder man fast ganztägig ausfällt, wenn der Stadtrat tagt. Wer neben Job und Ehrenamt noch Familie hat oder einem Verein angehört weiß, wie wenig Zeit dann noch für Anderes im Leben bleibt. Für mich jedenfalls stellt sich der Terminus von „die da oben und wir da unten“ jedenfalls nicht. Als Kommunalpolitiker*innen sind wir immer mitten drin und nah dran am alltäglichen Geschehen allein schon durch unsere ganz normalen Lebensumstände.

Viel Arbeit, wenig Anerkennung und trotzdem…

Wie bereits erwähnt, ist das Ehrenamt nicht immer von großem Zuspruch begleitet. Meist wenden sich die Menschen an ihre gewählten Vertreter*innen, wenn im privaten oder öffentlichen Raum Probleme sichtbar werden, sie sich über Entscheidungen ärgern oder Ängste entstehen. Dann ist es unsere Aufgabe sich eben dieser Anliegen anzunehmen und zu schauen, wie und ob Abhilfe geleistet werden kann. Bedeutet also, man bearbeitet in seiner Freizeit eine Vielzahl von Bürger*innenanliegen, telefoniert, beantwortet Mails, schreibt Anfragen oder Anträge, setzt sich mit der Verwaltung auseinander, besucht Feste und Veranstaltungen oder organisiert sie selbst, hört den Menschen zu und sucht nach Lösungen – alles i.d.R. nach Dienstschluss oder am Wochenende. Das ist es, was das Ehrenamt am Ende aber ausmacht; Menschen zu helfen. Es allen immer Recht machen zu wollen, kann im Ansatz schon nicht gelingen, das ist klar. Aber im Kleinen, wie im Großen zu helfen, Veränderungen herbeizuführen und die Weichen für die Zukunft einer Stadt und ihrer unterschiedlichen Stadtteile beeinflussen zu können, ist eine verantwortungsvolle und wunderbare Aufgabe. Manchmal braucht es Jahre bis Projekte auf den Weg kommen und Veränderungen sichtbar und spürbar werden, manches Mal sind es aber auch nur kleine Dinge, die sofort umgesetzt oder verbessert werden können. Und dann gibt es eben auch Dinge, die man nicht beeinflussen kann, für die man aber verantwortlich gemacht wird, leider. Und trotzdem macht das Ehrenamt Freude und Spaß. Für Kommunalpolitiker*innen sollte das Glas immer „halb voll“ sein, sonst braucht man sich für dieses Ehrenamt freiwillig erst gar nicht zur Verfügung zu stellen. Als stinknormales Ratsmitglied jedenfalls ist das Mandat kein sanftes Ruhekissen und man „wuppt“ das Mandat neben Job und allen anderen Verpflichtungen, für die man sich im Leben entschieden hat. Die Möglichkeit direkten Einfluss auf die Gestaltung des unmittelbaren Lebensumfelds seiner Mitmenschen und seines eigenen nehmen zu können, sind dabei stets Motivation, Antrieb und natürlich auch persönliche Befriedigung des eigenen Gewissens in der Annahme,  das Leben in der Stadt positiv beeinflussen zu können.

Es würde mich freuen, wenn dieser kleine Text ein wenig dazu beitragen kann, das Verständnis von kommunalem Ehrenamt etwas transparenter zu machen und natürlich wäre es schön, wenn er zudem noch verdeutlichen würde, dass Kommunalpolitik nicht dem eigenen Selbstzweck dient, sondern stets dem Wohle der Gesellschaft.

von Katja Goldberg-Hammon